Mein Kiez hat sich in den letzten 16 Jahren verändert. Aufwendig sanierte Straßenzüge, kommende und gehende Trends im Einzelhandel (auf Videotheken folgten Bestattungsinstitute folgten Tabak- und Zeitschriftenläden folgten Callshops folgten Bäckereien), eine florierende Kunst- Galerienszene und aufregende Gastronomie machen das Leben in Alt-Treptow niemals langweilig. Es gibt allerdings eine Konstante in dieser ruhelosen Hood: Elektro Reinwardt – ein Laden wie eine Burg, den Geheimtipcharakter noch unterstreichend durch eine fast blickdichte braune Folie mit der die empfindlichen Waren in der vergitterten Schaufensterauslage vor gefährlichem Sonnenlicht vor dem Ausbleichen geschützt werden. Aktuell, also seit ca. 12 Jahren liegen dort sehr geschmackvoll arrangiert z.B. elektrische Dosenöffner, drei verschiedene Reiseföns, flotte Lichtschalter in kackbraun-metallic, Steckdosen in allen Varianten, Babykostwärmer, ein Wärmeunterbett, Gefrierdosen, extradicht schliessend und als echtes Schnäppchen ein Stereotestband (9,53 cm/s), original Friedensware von ORWO.
Der Laden ist so geheim daß sich nur selten Eingeweihte hineinverirren. Seit mindestens 10 Jahren frage ich mich, wie Herr Reinwardt oder wem auch immer der Laden gehört, Geld verdient. Ich komme da wirklich oft vorbei und versuche immer was von innen zu erkennen, dort ist nie jemand drin und das er nebenbei einen coolen Internethandel für Elektrobedarf betreibt, kann ich mir auch nicht vorstellen. Eine Zeitlang war ich der Meinung das wäre eine Geldwäscherei (was ich immer noch nicht ganz ausschliessen will).
Einmal, in großer Not, habe ich mich auch getraut den Laden zu betreten, ich brauchte eine Glühbirne. Die Raumtemperatur dort beträgt etwa 11 Grad, die Wände sind vollgestellt mit endlosen Regalen voller kleiner Schubfächer, in freundlichem eierschal gestrichen. Mein Betreten rief offensichtliches Erstaunen hervor, das etwas wirr dreischauende Männchen machte sich aber, nachdem ich mein Begehr vorgetragen hatte zielsicher auf die Suche nach meinem Leuchtmittel. Nachdem ich einen Apothekenpreis gezahlt hatte, war mir auch klar, wieso ein Kunde am Tag ausreicht.
Dienstag, 25. April 2006
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5 Kommentare:
Das Feilen hat sich gelohnt, Jonas! : )
in meiner Ecke sind mindestens ein Dutzend An- und Verkaufsläden für Elektroartikel etc. da geht auch nie jemand rein. Also nutze ich die 1 Stunde mit Parkuhr" - Parkplätze vor den Läden immer ungeniert rund um die Uhr.
...!
bei mir im kiez machen die schleckermärkte wieder zu,dafür gibt es jetzt an fast jeder strassenecke einen laden für alle möglichen arten des wettens.
die burg stellt hier der zeitungskiosk,der rewe-markt und der frisör dar.
So einen Elektrofachgeschäft gibt es anscheinend in jeder Stadt....meist mit der Hausnummer 23....
...ich wittere gefährliches.
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